In den letzten Jahren habe ich mit Kolleginnen und Kollegen intensiv an einer Frage gearbeitet, die mich als AR-Forscher schon lange beschäftigt. Wann fühlt sich ein digitales Objekt in Augmented Reality „richtig“ an? Also so, als wäre es wirklich da und nicht nur eine nette Spielerei auf dem Bildschirm? Viele Unternehmen setzen mittlerweile auf AR-Anwendungen wie virtuelle Möbel in der Wohnung oder digitale Make-up-Tests. Doch was genau macht den Unterschied zwischen einer überzeugenden und einer enttäuschenden Erfahrung aus?
Aus dieser Frage ist unsere neue Studie entstanden. Sie heißt „Unpacking augmentation quality and local presence: Factors that drive effective augmented reality marketing“ und ist im Journal of the Academy of Marketing Science erschienen. Das ist eines der führenden Journale in der Marketingforschung (FT50, VHB A).
Was ist Augmentation Quality?
Gemeinsam mit Katrin E. Schein, Sandra Praxmarer-Carus und Barry J. Babin zeige ich darin, dass Nutzer AR-Erlebnisse nicht über einzelne technische Features beurteilen. Stattdessen zählt ein Gesamteindruck, den wir Augmentation Quality nennen.
Das bedeutet konkret, ob das virtuelle Objekt zur realen Umgebung passt. Drei Aspekte spielen dabei eine Rolle. Erstens das Design: Wirkt das Objekt hochwertig und realistisch? Zweitens die Einbettung: Passt es farblich, im Licht und in der Perspektive zur Umgebung? Drittens die Interaktion: Reagiert es erwartungskonform, wenn ich es anfasse oder bewege?
Unsere empirischen Daten zeigen, dass diese drei Dimensionen nicht getrennt wirken. Sie bilden zusammen einen einheitlichen Qualitätsfaktor. Genau das erklärt, warum manche AR-Anwendungen magisch wirken und andere künstlich bleiben.
Local Presence als psychologischer Schlüssel
Wenn Augmentation Quality hoch ist, passiert etwas Spannendes. Die Nutzer empfinden Local Presence. Das ist das Gefühl, dass ein virtuelles Objekt wirklich hier und jetzt vorhanden ist.
Dieses Empfinden kenne ich aus der Virtual-Reality-Forschung. Unsere Studie überträgt es erstmals klar auf AR. Und die Ergebnisse sind eindeutig: Hohe Augmentation Quality verstärkt Local Presence deutlich. Dadurch können Nutzer Produkte besser einschätzen, etwa Größe, Passform oder Stil. Gleichzeitig steigen emotionale Reaktionen wie Freude, Neugier oder Vertrauen.
Local Presence ist also der psychologische Mechanismus, der Augmentation wirksam macht. Ohne dieses „Hier-sein-Gefühl“ bleibt AR oberflächlich.
Praktische Implikationen für AR-Marketing
Für Unternehmen ist die Botschaft klar und einfach. Augmented Reality funktioniert nur, wenn digitale Inhalte glaubwürdig in die reale Welt integriert sind. Eine coole Animation allein reicht nicht. Wenn das virtuelle Sofa im falschen Licht schwebt oder unnatürlich reagiert, wirkt die ganze Erfahrung unglaubwürdig.
Genau hier hilft unsere neue Skala zur Augmentation Quality. Sie erlaubt es, AR-Erlebnisse systematisch zu messen und zu optimieren. Entwickler können damit testen, ob Design, Einbettung und Interaktion harmonieren. Manager bekommen ein Instrument, um Investitionen in AR gezielt zu rechtfertigen.
Warum diese Studie für mich persönlich zählt
Diese Publikation ist für mich ein Meilenstein. Sie macht etwas greifbar, das viele in der Praxis intuitiv spüren, aber bisher nicht messen konnten. Mit der Skala und dem Local-Presence-Konzept liegt nun ein Werkzeug vor, das AR-Erlebnisse voranbringt. Sowohl in der Forschung als auch bei der Entwicklung konkreter Anwendungen.
Wer mehr Details sucht, findet den vollständigen Artikel open access im Journal of the Academy of Marketing Science.
Referenz
Schein, K. E., Rauschnabel, P. A., Praxmarer-Carus, S., & Babin, B. J. (2025). Unpacking augmentation quality and local presence: Factors that drive effective augmented reality marketing. Journal of the Academy of Marketing Science. https://doi.org/10.1007/s11747-025-01108-2
